Geschichte Flemmingsort

Nachdem die „Pustkowie Barenbruch“ 1724 der Gemeinde Flötenstein überschrieben und zur Besiedlung freigegeben war, begann die Gemeinde mit der Anwerbung von Neusiedlern. Die Beziehungen des Deutschen Ordens, der seinen Sitz 1309 von Venedig nach Marienburg verlegt hatte, reichten weit über Deutschland hinaus. So hörte wohl auch die Familie Fleming in Schottland von diesem Angebot. Offensichtlich konnten sie für zwei ihrer Söhne keine entsprechende Existenzgrundlage in Schottland beschaffen und erwarben als Erste Land für Martin Fleming und seinen Bruder im Barenbruch. Der Name des Bruders ist nicht überliefert. Die Verwandtschaft in Schottland war sicher begütert, denn die beiden Höfe waren mit je 200 ha ungewöhnlich groß. Die durchschnittliche Größe im Kreis Schlochau betrug zu dieser Zeit zwischen 10 und 25 ha. Die Zeitzeugen berichten von adliger Abstammung der Brüder. Dies konnte mir aber niemand belegen, auch dem Lehrer waren diese Quellen wohl nicht zugänglich.

 

Während Martin einen Teil unseres Elternhauses baute, errichtete der Bruder das Haus, in dem später die Familie Michalke wohnte.
Es liegt nahe, dass die männliche Linie auf diesem Hof ausgestorben ist. In den Eintragungen des Kirchenbuchs von Flötenstein von 1832 bis 1843 wird bei den Namenseinträgen
nicht zwischen den Familien unterschieden. Es sind auf jeden Fall mehr Flemmings (der Name wurde inzwischen der deutschen Schreibweise angepasst) erwähnt, als in unserem Stammbaum vorkommen. Der schottischen Tradition folgend, begannen die beiden zunächst mit der Schafzucht. Dafür war der sandige Boden aber wohl nicht geeignet. Die Wiesen gab es zu unserer Zeit nur in den umliegenden Wäldern.

 

Der Ort wuchs durch Neusiedler, aber auch durch die Teilung und Vererbung der Höfe der Brüder Flemming an die Nachkommen. So verstarb Matthias Flemming um 1840 an Herzversagen. Da kein Testament vorlag, wurde der Hof auf die vier Kinder aufgeteilt
und jeder erhielt 50 ha. Über sieben Generationen schrumpfte unser Hof so auf 30 ha und war immer noch der größte im Ort. Trotz der Erstbesiedlung durch die Flemmings gab es 1945 nur zwei Familien mit diesem Namen im Ort, der dominierende Name war dagegen Roggenbuck.

 

Flemmingsort liegt 6 km östlich von Flötenstein und wird bis 1830 ausschließlich als Flötenstein bezeichnet, danach als Abbau Flötenstein. Der Ort wird ab 1871 im Gemeindelexikon geführt und ab 1933 auch offiziell Flemmeinsort bei Flötenstein genannt.
Noch bis 1872 hatten die Großgrundbesitzer eine eigene Polizeiaufsicht und Rechtsprechung. Den Landgemeinden stand ein Schulze vor, in der Mundart Schult. Unser Urgroßvater war als Stellvertreter des Schulzen von Flötenstein – heute ein Ortsvorsteher – der Schult von Flemmingsort. Dieses Amt wurde zwar 1881 abgeschafft, aber der Titel vererbte sich hartnäckig auf den Erben bis in unsere Generation. Wir nennen unseren ältesten Bruder heute noch gelegentlich Schult.

 

Als unser Vater die Rechtschreibung noch nicht beherrschte, war für ihn Schuld und Schult das Gleiche. So wandelte er den Text beim Beten des Vaterunsers ab „…und vergib uns unseren Schulz…“, weil er seinen Vater nicht beten konnte und wollte. Nach dem 1. Weltkrieg wurde Westpreußen mit dem Vertrag von Versailles polnisch. Von Westpreußen blieben 1919 nur 8 Landkreise bei Deutschland. Diese bildeten einen Gürtel zwischen Pommern und Polen und wurden zu dem Regierungsbezirk Grenzmark Posen-Westpreußen (gegründet 1922) zusammengefasst. Dazu gehörte auch der Kreis Schlochau mit Flemmingsort. Am 1.10.1938 wurde die Grenzmark aufgelöst und in Pommern eingegliedert. Somit gehörte Flemmingsort ab diesem Zeitpunkt zu Pommern.

 

Der Wandertrieb muss noch in den Genen der Flemmings gesteckt habe, so dass die männlichen Nachkommen den Ort verlassen haben. Dies lag sicher auch an dem preußischen Erbrecht, wonach der älteste Sohn den Hof erbte. Der Bruder Paul unseres Vaters Johannes wurde nach diesem Recht ausbezahlt und ging nach Berlin. Belegt ist, dass einer der Söhne von Matthias um 1850 sein Erbe verkaufte und in die USA auswanderte. Ihm folgte später seine Schwester, nachdem ihr Mann früh verstorben war. Zu diesen Verwandten hatten die Eltern noch bis nach 1945 Kontakt und wir erhielten von ihnen nach dem Krieg regelmäßig Pakete. Doch in der nächsten Generation ist dieser Kontakt abgebrochen. Der  Onkel unseres Vaters in Flemmingsort, Josef Flemming, hatte zwei Töchter und zwei Söhne. Beide Söhne sind im Zweiten Weltkrieg gefallen und waren ohne Nachkommen. Wir Geschwister – sechs Brüder und zwei Schwestern – sind die achte Generation der Gründer von Flemmingsort, geboren zwischen 1933 und 1943 in dem Haus, mit dessen Bau unser Vorfahr Martin nach 1724 begonnen hat und dessen letzte Erbe unser Vater Johannes war. Leider sind durch den Krieg keine Fotos vom Haus überliefert.
Die einzige Erinnerung ist eine Zeichnung unseres Bruders Ewald.